10 Milliarden Wie werden wir alle satt?

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    • PAL, 107 min
Format: PAL, Dolby 5.1 Spieldauer: 103 Minuten Bonus...mehr
Produktinformationen "10 Milliarden Wie werden wir alle satt?"

Format: PAL, Dolby 5.1
Spieldauer: 103 Minuten

Bonus Material: 35 Minuten Extras:
- Zusätzliche Szenen/Behind the Scenes
- Interview mit Valentin Thurn
- Deutscher Kinotrailer
- Untertitel: Deutsch für Hörgeschädigte
- Inkl. Hörfilmfassung
Bildseitenformat: 16:9
Sprache:
Deutsch
Untertitel: Deutsch, für Hörgeschädigte

Buch: Sebastian Stobbe, Valentin Thurn
Regie:
Valentin Thurn
Kamera: Hajo Schomerus
Schnitt: Henk Drees
Ton: Ralf Weber
Musik: Dürbeck& Dohmen
Produktionsjahr: 2015
Produzenten:
Tina Leeb, Jürgen Kleinig
Co-Produktion: Ira von Gienanth, Valentin Thurn

KURZINHALT
Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen anwachsen. Doch wo soll die Nahrung für alle herkommen? Kann man Fleisch künstlich herstellen? Sind Insekten die neue Proteinquelle? Oder baut jeder bald seine eigene Nahrung an?

Regisseur, Bestseller-Autor und Food-Fighter Valentin Thurn sucht weltweit nach Lösungen. Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie wir verhindern können, dass die Menschheit durch die hemmungslose Ausbeutung knapper Ressourcen die Grundlage für ihre Ernährung zerstört, erkundet er die wichtigsten Grundlagen der Lebensmittelproduktion. Er spricht mit Machern aus den gegnerischen Lagern der industriellen und der bäuerlichen Landwirtschaft, trifft Biobauern und Nahrungsmittelspekulanten, besucht Laborgärten und Fleischfabriken.

Ohne Anklage, aber mit Gespür für Verantwortung und Handlungsbedarf macht der Film klar, dass es nicht weitergehen kann wie bisher.
Aber wir können etwas verändern. Wenn wir es wollen!

PRESSENOTIZ
In welchen globalen Wahnsinn haben wir uns hineingelebt und -konsumiert? Wie können wir besser, nachhaltiger leben und vor allem ÜBERleben?
Mit seinem letzten Film, dem Kino-Erfolg „Taste the Waste“, löste Valentin Thurn eine intensive gesellschaftliche Debatte aus, indem er zeigte, welche immensen Mengen an Lebensmitteln ungenutzt auf den Müll wandern.
In 10 MILLIARDEN fasst er die derzeit drängendsten Fragen der Welternährung zusammen. Den von Massentierhaltung, Monokulturen und Gen-Fleisch überzeugten Fortschrittsgläubigen der Industrie stehen die biologische Landwirtschaft, Kleinbauern in den Entwicklungsländern und Selbstversorger-Gemeinschaften gegenüber, die zwar weniger Masse produzieren, dafür aber schonend mit den begrenzten Ressourcen umgehen. Als Mischung aus sorgfältiger Analyse, ausgewogener Darstellung vieler Lösungswege und Plädoyer für Respekt und Mitgefühl bietet 10 MILLIARDEN eine fundierte Diskussionsgrundlage und wagt vorsichtigen Optimismus: Wir alle haben genug Möglichkeiten, etwas zu verändern – wenn wir es wollen.

16 VON 10 MILLIARDEN: DIE WICHTIGSTEN PROTAGONISTEN
In wenigen Jahrzehnten müssen 10 Milliarden Menschen auf der Erde satt werden: Das ist der Ausgangspunkt des Films. Hat die Agrarindustrie, wie sie suggeriert, wirklich die Lösung für das drohende weltweite Ernährungsproblem? Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht zunehmend das Saatgut, der Ursprung jeder Pflanze. Zehn Konzerne beherrschen hier 75 Prozent des Weltmarkts. Bei der Bayer AG ist das Thema Chefsache.

Liam Condon (Leverkusen, Deutschland) ist Vorstandsvorsitzender von Bayer CropScience, einem der weltweit größten Hersteller und Entwickler von Saatgut, Hybriden und Pestiziden. Condon setzt auf Hochleistungs-Saatgut, vor allem gentechnisch verändertes, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dafür hält er noch mehr Patente als Monsanto.
Die „Leistungsfähigkeit“ von Pflanzen verbessern und ihre Toleranz gegenüber Dürre, Versalzung, Überschwemmung und andere Naturphänome zu stärken, ist erklärtes Ziel der Wissenschaftler. Ihre „Innovationen“ binden die Landwirte jedoch in eine Spirale der Abhängigkeit.
„Der nächste Weltkrieg könnte durch Lebensmittelknappheit ausgelöst werden. Um es dazu nicht kommen zu lassen, brauchen wir schnelle und bedeutsame Innovation. Wir brauchen eine Revolution, um die Menschen aufzurütteln – und zwar jetzt.“

Kusum Misra (Balasore, Indien) kämpft gegen die Abhängigkeit der Kleinbauern ihrer Region von den Saatgut-Konzernen. Gemeinsam mit den Bauern hat sie eine Saatgutbank mit über 700 Reissorten aufgebaut, damit sie wieder selbst bestimmen können, was sie anbauen. Ihrer Erfahrung nach übersteht das industrielle Saatgut Naturkatastrophen wesentlich schlechter als die traditionellen Sorten aus der bäuerlichen Landwirtschaft. Deren Ertrag fällt zwar generell geringer aus, ist jedoch krisenfester.
Dass Bauern mit lokalen Sorten arbeiten, kann nicht im Interesse der Konzerne sein: Sie setzen dann nicht nur weniger Hybridsorten ab, sondern auch keine unverzichtbar dazugehörigen Pestizide und Düngemittel.

Andreas Gransee (Philippstal, Deutschland) ist Forschungsleiter bei der Kali +
Salz AG, einem der größten Düngerhersteller der Welt. Er ist überzeugt: Ohne
Mineraldünger wird es Hungerkrisen auf der Welt geben. Jedoch:
„Die Saat sollte den Bauern gehören, nicht den Unternehmen. Wenn sich die Bauern darauf einlassen, sind sie Gefangene der Konzerne. Doch die Menschen verstehen erst, wenn sie leiden.“
„In 40 bis 50 Jahren sind unsere Kalivorräte aufgebraucht, und die Produktion muss stoppen.“
Gibt es angesichts des auslaufenden Kunstdünger-Zeitalters alternative Wege, um Ackerpflanzen zu düngen?

Bangaruswami Soundararajan (Coimbatore, Indien) ist Vorstandsvorsitzender von Suguna Chicken, dem Marktführer für Hühnerfleisch in Indien. Er setzt auf starkes Wachstum beim Fleischkonsum im bisher weitgehend vegetarischen Indien und legt jedes Jahr um etwa 20 Prozent zu. Sein Geschäftsmodell hat er sich beim deutschen Hühnchen-Konzern Wesjohann („Wiesenhof“) abgeschaut. Sein Ziel ist es, die derzeit 1,2 Millarden Inder und vor allem die 40 Prozent, die traditionell vegetarisch leben, vollends vom Fleischkonsum zu überzeugen.
Massentierhaltung kann jedoch keine Lösung für die Welternährung sein, vielmehr ist sie eine der Gründe für die drohende Krise. Gibt es Wege, die Fleischproduktion halbwegs „menschlich“ zu gestalten?

Karl Schweisfurth (Glonn, Deutschland) ist Öko-Bauer und will auch bei der Tierhaltung die Genetik wieder zurück in Bauernhand holen. Derzeit dominieren – auch bei Biofleisch – die Hybride aus dem Wesjohann-Konzern. Konsequenz: Es gibt entweder eierlegende oder fleischproduzierende Rassen. Bei den eierlegenden braucht es die männlichen Küken nicht – sie werden deshalb
„Als wir vor 25 Jahren starteten, war es schwer, 10 oder 20 Hühner zu verkaufen. Heute produzieren wir eine Million Hühnchen am Tag - und verkaufen alle.“ Schweisfurth setzt dagegen auf sein Zweinutzungshuhn, das sowohl Eier legt als auch Fleisch ansetzt.
Bleibt die Frage nach dem Preis. Öko-Fleisch kostet bekanntlich wesentlich mehr als Discounterware, die weltweit den Standard setzt. Da der Fleischkonsum steigt, erhöht sich kontinuierlich auch der Bedarf an Futtermitteln, für die derzeit 75 Prozent der weltweiten Ackerfläche genutzt werden.

Jes Tarp (USA) ist Vorstandsvorsitzender der Aslan Group, die Soja-Farmen in der Ukraine und in Afrika betreibt. Auf seiner 10.000-Hektar-Plantage in Mosambik erzeugt er Tierfutter für den Weltmarkt. Er findet es nicht gut, dass andere Großfarmen ihr Land den Kleinbauern wegnehmen, und hat deshalb für seine Farm bisher ungenutzten Urwald gerodet. Er ist stolz darauf, mit dem extensiven Soja-Anbau neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen.
„Ich setze auf die „große Symbiose“ und wirtschafte intensiv statt extensiv.“
Andere Großfirmen machen noch kürzeren Prozess, indem sie – vor allem in Kulturen, die kein Grundbuch kennen – Kleinbauern enteignen und ihre Versprechen auf Saatgut, Kredite und Verbesserung der Infrastruktur nicht einhalten.

Bernd Schmitz (Hennef, Deutschland) will an seine Kühe kein Soja aus Übersee verfüttern. Im Sommer stehen sie auf der Weide, und auch das Futter für den Winter stellt der Milchbauer aus dem Gras seiner Weiden selbst her. Er ist überzeugt davon, dass dies eine hochwertigere Milch ergibt. Seinen Betrieb hat er immer in einer für ihn überschaubaren Größe gehalten, daher fiel ihm die Umstellung zum Biohof leicht.
Auch die moderne Wissenschaft bemüht sich, den weltweiten Ernährungsbedarf zu decken, ohne seine Grundlagen zu zerstören.
„Kurze Wege, weniger Transportkosten, Transparenz und Qualitätsgarantie – und die Menge, die ich produziere, ist absolut genug.“
„Die ultimative Nachhaltigkeit ist der Profit. Darin liegt echte Hoffnung und die Chance zur Veränderung. Wenn wir verdienen, gewinnen alle.“

Shinji Inada (Japan) ist Direktor der Pflanzenfabrik Spread Inc., in der Salat und andere Pflanzen völlig abgeschirmt von Umwelteinflüssen produziert werden: ohne Boden, ohne Sonnenlicht und mit einer kontrollierten Atmosphäre, die mehr CO2 enthält als die natürliche Luft. Menschen sind in diesem Prozess nicht vorgesehen, weil sie als unberechenbare Größe ein Risiko für Kontamination sind.
Trotz hoher Energiekosten, vor allem für das künstliche Licht, kann Shinji Inada bereits heute rentabel arbeiten, weil er neun Mal pro Jahr ernten kann, und das auf 16 Etagen.
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Ronald Stotish (Kanada/USA) will mit seinem Unternehmen AquaBounty einen Lachs auf den Markt bringen, der sechsmal so schnell wächst wie normale Lachse – dank Gentechnik. Durch Einpflanzung eines zusätzlichen Gens sind sie identisch mit natürlichen Lachsen ‒ „in jeder messbaren Hinsicht.“
In den Niederlanden wiederum werden ganz neue Wege beschritten, um tierische Proteine noch effizienter herzustellen.
„Wenn wir als Menschheit überleben wollen, sind wir auf die intelligente Entwicklung solcher Innovationen angewiesen.“
„Erde ist kein kontrollierbares Medium, deshalb wollen wir sie nicht benutzen.“

Mark Post (Maastricht, Niederlande) leitet das „Cultured Beef Project“, in dessen Rahmen Fleisch im Labor gezüchtet wird. Er hat bereits Hamburger aus dem künstlichen Fleischgewebe hergestellt und ist sich sicher, dass in wenigen Jahrzehnten das meiste Fleisch aus dem Labor kommen wird. Einer der Hauptsponsoren des Projekts, von Tierschützern als „No Kill Meat“ begrüßt, ist Google-Mitgründer Sergey Brin. Umweltbewusster, gewaltloser, identisch in Geschmack und Textur – die Lösung?
Als vorläufig nur auf die reichen Länder gezielte Innovation wird auch hier langfristig der Preis entscheiden. In einem größeren Maßstab gilt dies für die gesamte Entwicklung der Landwirtschaft. Dieser Preis wird an der Börse bestimmt.

Jim Rogers (Chicago, USA) gilt als der Guru des Handels mit Agrar-Rohstoffen an der Börse in Chicago. Er gründete den Rogers International Commoditiy Index und den milliardenschweren Quantum-Fonds.
„Die Kuh ist ein sehr ineffizientes Tier. Im Labor können wir zielgerichteter arbeiten. Oder wir hören auf, Fleisch zu essen – was nicht passieren wird.“

Rob Hopkins (Totnes, Großbritannien) gründete das „Transition Town Network“, in dem bereits 450 Kommunen weltweit versuchen, sich von der internationalen Finanzwirtschaft abzukoppeln und insbesondere bei der Lebensmittelversorgung lokale Netzwerke aufbauen.
„Die Preise an der Börse werden kräftig steigen müssen, weil die Bauern nur dann genügend Nahrungsmittel produzieren werden.“
„Unsere Gesellschaft handelt zu 97 Prozent mit nicht vorhandenen Dingen. Wir wollen diese Prozesse wieder greifbarer machen.“

Fanny Nanjiwa Likalawe (Malawi) ist stolze Kleinbäuerin in einem der ärmsten Länder der Welt, das sehr unter den Schwankungen der Weltmarktpreise leidet. Ein Entwicklungsprojekt half ihrem Dorf, das sich heute wieder von den Erzeugnissen seiner Felder ernähren kann.
Krisenvorsorge durch die Grundversorgung aus eigener Kraft: International formiert sich eine Bewegung, die beim Sichern der Ernährung auf Eigeninitiative setzt.
Will Allen (USA) war Basketball-Star in der NBA. Heute betreibt er einen Bauernhof mitten in einem Armutsviertel der Millionenstadt Milwaukee und gilt in den USA als Vorreiter des Urban Farming.
„Wir brauchen lokale Ernährungssysteme.“
„Früher hatten wir immer 10 bis 15 Familien, die an Hunger litten. Unsere Unabhängigkeit hat das verändert.“

Mary Clear (Todmorden, England) hat die Mauern um ihren Garten abgerissen und ein Schild aufgestellt: „Bedient Euch.“ Sie lud die Bürger in ihrer Heimatstadt Todmorden ein, frisches Obst und Gemüse aus ihrem Garten zu holen. Dadurch hat sie das Projekt Incredible Edible (Essbare Stadt) initiiert, in dessen Rahmen überall in der Stadt öffentliche Flächen bepflanzt werden.
„Nicht die Wissenschaft wird das Ernährungsproblem lösen, sondern Mitgefühl und Menschlichkeit.“

EINE FRAGE DES (ÜBER)LEBENS
INTERVIEW MIT REGISSEUR VALENTIN THURN

Herr Thurn, die veränderten Grundlagen der globalen Lebensmittelversorgung erfordern ein Umdenken bei der Ernährung. Wie haben Ihnen am Anfang des Films die frittierten Insekten geschmeckt?
Sehr gut, das war keine große Überwindung. An die großen Spinnen habe ich mich nicht herangewagt, das schafft unsereins nicht, aber die Heuschrecken gingen ganz gut. Sie haben eine ähnliche Konsistenz wie Shrimps, außerdem werden sie in Thailand mit viel Knoblauch, Chili, Zitronengras und Basilikum gewürzt.
Ihre persönliche Perspektive gibt dem Film seine Struktur. Was war Ihr Ausgangspunkt bei der Konzeption?
Ich habe die Ich-Perspektive gewählt, um als Stellvertreter des Zuschauers eine faktenorientierte Reise durch die Welt der alten und neuen Ernährungsformen anzutreten. Eine Wertung oder gar Schmähung habe ich versucht zu vermeiden, weil ich denke, dass wir die ideologischen Grabenkämpfe überwinden sollten.
Vielen Zuschauern dürften Sie bereits aus Ihrem erfolgreichen Dokumentarfilm „Taste the Waste“ bekannt sein.
Der Erfolg hat uns selbst überrascht – bei einem „ekligen“ Thema wie Abfall war das nicht unbedingt zu erwarten. Dass es in letzter Konsequenz um die Wertschätzung unserer Lebensgrundlage geht, hat dann eine erstaunlich breite Öffentlichkeit zu schätzen gewusst, von sehr jungen Öko-Aktivisten bis hin zu älteren Menschen, die selber noch großen Mangel erfahren haben.
Es gibt die Annahme, dass diese Themen vor allem Menschen ansprechen, die ohnehin schon einen bewussten Lebensweg gehen.
In den letzten Jahren ist das Publikum für diese Themen größer geworden. Neben der klassisch engagierten Szene gibt es ein wachsendes allgemeines Unbehagen und Interesse an den Dingen, die ganz offensichtlich falsch laufen. Laut Marktforschung sind 25 Prozent der Konsumenten ansprechbar für die Frage „Wo kommt mein Essen her?“ ‒ mehr als doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren. 75 Prozent ist es jedoch nach wie vor egal. Diese Menschen kaufen nach Preis und halten alles andere für Schaumschlägerei. Das muss man auch wissen.

Welche Form von Aufklärung bzw. „Erziehung“ steckt in 10 MILLIARDEN?
Ich sehe mich keinesfalls als Pädagoge, der weiß, wo es langgeht, dazu ist das Thema viel zu komplex. Pamphletartige Aussagen wie „Bio für zehn Milliarden“ oder „Alle müssen vegan werden“ will ich vermeiden.
Dennoch sehe ich 10 MILLIARDEN zusammen mit unserem begleitenden Buch „Harte Kost“ und der Plattform „Taste of Heimat“ als Kampagne, die auch in Schulen und Institutionen eingesetzt werden kann und vor allem eines vermitteln soll: Ich kann die globale Entwicklung beeinflussen, indem ich regionale Produkte kaufe. Dem zweifellos vorhandenen Trend zur Nachhaltigkeit will ich das Niedliche, Landlustige nehmen, denn eine Umstellung unserer Ernährung hat weltpolitische Bedeutung. Beispielsweise ist lange unterschätzt worden, welch großen Anteil die Lebensmittelindustrie am Klimawandel hat: Bereiche wie Landwirtschaft, Transport, Verarbeitung und die Veränderung der Landnutzung machen 40 Prozent aus. Wir müssen nicht bei jedem Bissen daran denken, dennoch möchte ich eine gesellschaftliche Debatte anstoßen und eine bestimmte Richtung zeigen ‒ ohne erhobenen Zeigefinger.

Wie etwa auf Fleisch zu verzichten?
Ich bin selbst kein Vegetarier, aber staune, wie sehr sich mein Fleischkonsum im Entstehungsprozess des Films reduziert hat. Insgesamt neige ich nicht zu radikalen Lösungen. Fleischproduktion muss nicht zwangsläufig unnachhaltig sein – so wie derzeit in den meisten Fällen. Beispielsweise gibt es nichts Besseres für marginale Gebiete wie das Hochgebirge oder Wiesen in Mittelgebirgen als Weidehaltung. In manchen Dürrezonen wächst nur Gras, das ausschließlich von Tieren genutzt werden kann. Die Landwirtschaft ist eine der wenigen Wirtschaften, die CO2-negativ sein, Kohlendioxid also binden kann. In der aktuellen Form der Massentierhaltung passiert das natürlich nicht, und für die Industrieländer gilt zweifellos, dass wir viel zu viel Fleisch konsumieren.
10 MILLIARDEN zeigt politischen, ökologischen, wissenschaftlichen und menschenrechtlichen Wahnsinn, aber auch beeindruckende Einzelinitiativen.
Jeder von uns hat ja auch Handlungsspielraum und es ist nicht nötig, in Pessimismus zu verfallen. Die Aussicht auf „10 Milliarden“ wird durchaus auch von den Geschäftsinteressen der Großkonzerne missbraucht, um Angst zu verbreiten und die eigenen Lösungen durchzudrücken. Ich sage nicht, dass alles, was dort passiert, brandgefährlich ist, aber man sollte die Motivation hinter den vermeintlich heilsbringenden Innovationen sehen. Mir selbst liegt es fern, einfache Lösungen zu präsentieren. Was heißt schon „Esst regional“? Über Regionalität, Saisonalität muss man sich auch erst mal informieren können.

Wäre für diesen Film auch eine rein beobachtende Form möglich gewesen, in der nur wenig erklärt oder kommentiert werden muss?
Wir hatten auf jeden Fall Erklärungsbedarf. Es gibt durchaus spontan entstandene, beobachtende Szenen, was sich aus der Natur des Dokumentarfilms ergibt. Beim Schnitt haben wir jedoch gemerkt, dass es zwischen den Episoden Lücken gibt, die Erklärung und Verbindung brauchten. Mir war wichtig, verständliche Übergänge zu schaffen und die Informationen zu gewichten – als eine Art Reiseleiter durch das Thema und die Orte, für die ich bewusst sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer ausgewählt habe.

Welche Art von gesellschaftlicher Debatte wollen Sie anregen?
Wir wollen einen Diskurs schaffen, der den produktivistischen Lösungsweg – also „mehr produzieren hilft mehr“ ‒ infrage stellt. Nach wie vor bestimmt der klassische Fortschrittsgedanke die öffentliche Einstellung. Aber wir dürfen auf der anderen Seite auch die Bio-Landwirtschaft nicht nur durch unsere europäische Brille betrachten. So spielt das Konzept „Bio“ eigentlich nur für die Industrieländer, speziell Europa, eine Rolle, woanders ist es eher der Konflikt Großbauer versus Kleinbauer.
Die Episode in der indischen Hühnerfabrik, die im Zuge des gestiegenen Fleischkonsums floriert, stimmt bedenklich. Was wird passieren, wenn Nationen wie China oder Indien im Zuge von „Wirtschaftswundern“ die Handlungsweisen der Industrieländer übernehmen?
Das ist in dieser Form gar nicht möglich, da ihnen eine „Vierte Welt“ fehlt, deren Ressourcen sie in dem Maße ausbeuten können, wie wir es getan haben. Deshalb können die vielen Menschen, die dort noch auf dem Lande leben, nicht einfach in die Städte abwandern. Doch zunehmend werden sie von Großfarmen verdrängt, die ihnen den Zugang zu Land und Wasser nehmen. Oft bauen sie Tierfutter an, für unsere Massentierhaltung in Europa.“

Haben Sie jedem Gesprächspartner bei der Anfrage das gleiche Filmkonzept vorgelegt?
Ja, was aber stellenweise neutraler klang, als die Schlüsse, zu denen ich im Film komme. Die Pressesprecher beispielsweise bei Bayer wussten, dass ich keinen Pro-Gentechnik-Film plane, aber sie kannten „Taste the Waste“. Sie sagten das Gespräch zu, weil sie erkannten, dass mir eine Haltung, die Konzerne platt in die Pfanne haut, zu langweilig ist. Ich polarisiere da, wo es nötig ist. Bei Monsanto sind wir übrigens baden gegangen, die stehen bereits zu sehr in der Kritik.
In puncto Lifestyle ist die 1980er-Vollkorn-Askese einer eher hedonistischen Einstellung mit fairem Kaffee in der 1.000-Euro-Maschine gewichen.
Wir sind verwöhnt. Ich esse und koche gerne, was für mich kein Widerspruch zu Engagement ist. Für mich liegt der Schlüssel in der Wertschätzung. Auch Resteverwertung kann lustvoll sein. Ich muss nicht zwangsläufig an Hungerbäuche denken, wenn ich mein Essen aus einer lokalen Bauerngemeinschaft beziehe.
… die jedoch nie das Idyll darstellt, das wir aus Kinderbüchern oder von den fröhlichen Kühen auf Milchpackungen kennen.
Selbst in der Bio-Variante nicht. In der Landwirtschaft hat man es täglich mit Gedeih und Verderb zu tun. Wir Städter haben dazu keinen direkten Zugang mehr, sondern müssen bei der Unterscheidung zwischen gut und schlecht auf Krücken wie das Mindesthaltbarkeitsdatum vertrauen. 10 MILLIARDEN versucht auch, etwas Grundwissen über Landwirtschaft zu vermitteln, um einschätzen zu können, wie und wo man wirkliche Qualität erhält. An der Distanz, die zwischen Bauern und Verbrauchern entstanden ist, leiden auch die Landwirte. Durch die Billig-Entscheidungen der Konsumenten sind sie zu Praktiken wie unfreiwilliger Vergrößerung der Betriebe gezwungen. Der Bauernverband gibt vor, die Interessen der kleinen Landwirte zu vertreten, ist aber für kompletten Freihandel, der die Kleinen kaputt macht.

Für Ihre Reise sind Sie rund um die Welt geflogen...
… und habe in der Tat eine schlechte CO2-Bilanz erzielt. Das ging in diesem Rahmen nicht anders: Wenn ich über Welternährung erzähle, muss ich mir die Welt anschauen. Wir haben zwar manchmal den Landweg gewählt, unter anderem in Japan, aber das ist angesichts des Equipments schwierig. Unser Kameramann Hajo Schomerus hat das allerdings gut einschränken können, zumal durch unsere Arbeit mit natürlichem Licht der Beleuchtungskoffer wegfiel.

Die Privatinitiativen in Deutschland (SoLaWi) und Großbritannien (Transition Network, Incredible Edible) setzen auf Eigenverantwortung. „Die Wissenschaft wird das Problem nicht lösen, sondern die Menschlichkeit“ sagt Mary Clear. Eine Qualität, die wir neu entdecken müssen?
Ja, denn warum ändert jemand etwas? Trotz des vorherrschenden Bildes nicht nur dann, wenn es sich bezahlt macht. So ticken Menschen nicht. Sie müssen zwar ihre Grundbedürfnisse befriedigen, aber die Mehrheit geht weit darüber hinaus. Mitgefühl und Menschlichkeit sind Bedürfnisse, die wir allzu oft negieren. Dazu kommt der Respekt vor der Schöpfung, der sich auch ausnahmlos in allen Religionen wieder findet: Ich entnehme etwas, worum ich mich verantwortungsvoll kümmern muss. Nahrungsmittel waren in der Menschheitsgeschichte immer knapp. Wir drehen durch, weil wir in unserer Kultur erstmals mit flächendeckendem Überfluss konfrontiert sind.

Zwei Wochen nach Filmstart beginnt am 1. Mai in Mailand die Weltausstellung Expo 2015. Ihr Motto lautet „Feeding the Planet, Energy for Life“. In diesem Rahmen wird den Regierungschefs das „Mailander Protokoll“ als Vorlage für ein globales Ernährungsabkommen präsentiert. Welche Chancen geben Sie einem solchen Papier?
Guido Barilla hat hier eine beachtliche Initiative gestartet, profitiert aber als Pasta-Weltmarktführer nebenbei sehr vom Vegetarierboom. Ich persönlich würde nicht darauf warten, dass sich die Politik des Themas annimmt, sie aber auch nicht davon entlasten. Die Menschen wissen inzwischen zu viel, um einfache Antworten zu bekommen. Im Mittelpunkt der Veränderung steht die individuelle Konsumentscheidung.

Folgen wir also Mary Clears (und Martin Luthers) Vorschlag: „Lasst uns ein Apfelbäumchen pflanzen?“
Aber keinen aus dem Baumarkt! Gerne eine alte Apfelsorte aus regionalem Anbau.

REGIE:
VALENTIN THURN (Buch/Regie/Co-Produktion)
Valentin Thurn drehte über 40 Dokumentationen für Fernsehen und Kino. Sein Film „Ich bin Al Kaida“ war 2006 für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, „Mit meiner Tochter nicht!“ wurde beim Filmfestival Eberswalde ausgezeichnet und „Tod im Krankenhaus“ gewann den ARGUS-Medizinpreis 2008.
Sein bekanntester Kinofilm „Taste the Waste“ war 2011 mit 130.000 Zuschauern einer der erfolgreichsten deutschen Dokumentarfilme. Er wurde auf der Berlinale uraufgeführt und auf 30 Filmfestivals weltweit gezeigt, gewann den Umwelt-Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe sowie 15 weitere Preise.
2011 schrieb er das Buch „Die Essensvernichter“, das mit einer Auflage von 35.000 Exemplaren zum Spiegel-Beststeller avancierte. 2012 folgte das „Taste the Waste“-Kochbuch, und 2013 drehte er „Die Essensretter“, was ihm wieder zahlreiche internationale Preise, darunter den Econsense Journalistenpreis, brachte.
Valentin Thurn ist Diplom-Geograf und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München ausgebildet. 1993 gründete er die „International Federation of Environmental Journalists“ (IFEJ), 2012 den Verein „Foodsharing e.V.“.
2014 rief er zur Stärkung der Direktvermarktung von Lebensmitteln die Plattform „Taste of Heimat“ ins Leben. Unter www.tasteofheimat.de bietet sie eine Umkreis-Suche für auf regionale Produkte spezialisierte Restaurants und Händler. Ein Magazinteil und der „Taste-O-Mat“, mit der individuell passende Angebote ermittelt werden können, runden den Auftritt dieser Online-Community ab. Im gleichen Jahr erschien sein neues Buch „Harte Kost“, das auf der gleichen Reise wie 10 MILLIARDEN – WIE WERDEN WIR ALLE SATT basiert und den Film begleitet. Er veröffentlichte es gemeinsam mit Co-Autor Stefan Kreutzberger im Ludwig Verlag.

Filmografie (Auswahl):
2015 10 MILLIARDEN – WIE WERDEN WIR ALLE SATT? (Kino-Dokumentarfilm)
2014 Die Milchrebellen (WDR)
2013 Die Essensretter (ARD)
2011 Taste the Waste (Kino-Dokumentarfilm)
2010 Frisch auf den Müll – Die globale Lebensmittelverschwendung (ARD)
2010 Essen im Eimer (WDR)
2009 Der aufsässige Staatsdiener – Ein Beamter packt aus (WDR)
Unschuldig im Knast (ARD)
Ein Lotse fürs Leben (ARD)
2008 Tod im Krankenhaus (Arte)
2008 Gefundenes Fressen – Leben aus dem Abfall (WDR)
Samenspender unbekannt – Anna sucht ihren Vater (WDR)
2007 Impfen – Nur ein kleiner Nadelstich? (Arte)
„Mit meiner Tochter nicht!“ - Frauen-Beschneidung in Europa (Arte)
Faustrecht hinter Gittern – Wege aus der Gewalt (WDR)
2006 Ohne Papiere – Illegale Einwanderer in Deutschland (ARD/WDR)
Ich bin Al Kaida – Das Leben des Zacarias Moussaoui (Arte/NDR)
Mein Kind in deinem Bauch – Das dunkle Geschäft mit den Leihmüttern (ZDF)
Armutszeugnis – Kinderarmut im reichen Europa (Arte)

FAKTEN ZUR WELTERNÄHRUNG
Die Zahl der Menschen wird bis Mitte des Jahrhunderts auf rund zehn Milliarden anwachsen. Gleichzeitig schrumpft die weltweite Agrarfläche. Und gleichzeitig steigt der Lebensstandard in den Schwellenländern, so dass sich die Mittelschicht dort immer mehr Fleisch leisten kann. Bereits heute wird jedoch ein Drittel der Welt-Getreideernte an Tiere verfüttert. Erhöht sich dieser Anteil noch, dann bedeutet das: Die Grundnahrungsmittel werden teurer und die Ärmsten der Armen werden sich noch weniger Essen leisten können.
Die Agrarindustrie folgert daraus, dass wir die Produktion an Nahrungsmitteln verdoppeln müssen. Vor allem in den Entwicklungsländern sehen sie Potenzial – und Märkte für ihre Produkte. In den Industrieländern hingegen ist das Ende der Möglichkeiten fast erreicht. Nach Jahrzehnten kräftigen Wachstums stagnieren in den letzten Jahren die landwirtschaftlichen Erträge.
Ist die Übertragung unseres Wachstumsmodells auf die Entwicklungsländer überhaupt möglich? Die Ressourcen des Planeten geraten zunehmend an ihr Limit, und in den meisten Fällen ist die moderne, industrielle Landwirtschaft daran schuld. Sie verbraucht bzw. erzeugt weltweit:
75 Prozent des Wassers
40 Prozent der Treibhausgase

Die Methoden der industriellen Landwirtschaft haben es geschafft, die Erträge zu steigern. Doch dieser Erfolg ist nicht nachhaltig, denn durch das großflächige Ausbringen von Kunstdüngern und Pestiziden wird das Bodenleben zerstört. Daraus folgt ein Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, was langfristig auch weniger Erträge bedeutet. Denn die künstliche Zufuhr von Dünger ist begrenzt, die natürlichen Lagerstätten von Kali und vor allem von Phosphor werden am Ende dieses Jahrhunderts oder am Anfang des nächsten zur Neige gehen.

Auf der anderen Seite erzeugt die biologische Landwirtschaft, so wie sie in den Industrieländern betrieben wird, weniger Nahrungsmittel pro Hektar Land. Für die Welternährung heißt das aber nicht, dass die Lage ausweglos ist.
In den Entwicklungsländern heißt der Gegensatz: Kleinbauern versus Großfarmen. Und erstaunlicherweise holen die Kleinbauern im Durchschnitt mehr aus dem Hektar Land heraus als die Großfarmen. Das liegt an den billigen, in großer Zahl verfügbaren manuellen Arbeitskräften. Sie wirtschaften nahezu ökologisch, aber mit dem Unterschied, dass durch den Einsatz ihrer Hände auch kleinste Unterschiede im Relief und der Bodenbeschaffung beim Anbau berücksichtigt werden können, während Maschinen nur in einem groben Raster arbeiten können.
Aber wie sollen die Nahrungsmittel ausreichen, wenn jetzt die Menschheit noch mal um fast die Hälfte wächst? Die Welt-Getreideernte wird heute sehr ineffizient verwendet (siehe Grafik). Ein Drittel der weltweiten Ernte wird entlang der Produktionskette verschwendet, und ein Viertel wird an Tiere verfüttert. Bevor wir mit fragwürdigen Methoden die Produktivität steigern, sollten wir zunächst diese gigantischen Reserven nutzen.
Grafik: Valentin Thurn, Quelle: Weltagrarbericht

Alle Texte und Fotos mit freundlicher Genehmigung von Lena Kettner, © Prokino

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